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Countryside Charme
Im Süden Englands wird die Romantik in jedem Frühjahr neu erfunden
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Es sind die Pflanzen, die Bäume und manchmal sogar die Obstsorten, die in England zu Poesie werden – oder zu Namen. «Goodbye, England’s Rose», sang Elton John zum Abschied von Lady Diana in Westminster Abbey. «Apple» nannten der Coldplay-Sänger Chris Martin und die Schauspielerin Gwyneth Paltrow ihre gemeinsame Tochter. Das Model Kate Moss taufte ihre «Lila», nach dem Flieder, der hier die Häuser emporrankt, während Victoria Sykes in der Familie «Plum» genannt wurde, lange bevor sie als Redaktorin der US-amerikanischen «Vogue» unter genau diesem Namen zur Mode-Ikone wurde.
Pflaumen, Flieder, Äpfel und immer wieder Rosen: Die Engländerinnen und Engländer haben früh verstanden, was die Natur ihnen zu schenken vermag – wenn man sie zu nehmen weiss. Denn es ging ihnen nie um kunstvolle Züchtungen oder artifizielle Verrenkungen, wie man sie etwa in französischen Parks oder Wiener Schlossanlagen findet. Die Engländerinnen und Engländer machen sich die Natur nicht untertan, sie verkehren auf Augenhöhe mit ihr. Und ohne das milde, oft regnerische Klima wären die Blumenvielfalt eines typischen Landhausgartens und die Heckenlandschaften nicht möglich – ganz zu schweigen von den einzigartigen Rasenflächen, die selbst Strapazen wie Tennisturnieren oder Fussballmatches standhalten.
In der englischen Landschaft erlebt man eine Einfachheit und Tiefe, die die Seele berührt. Die Dörfer der Cotswolds mit ihren kleinen Teestuben und malerischen Pfarrkirchen scheinen einem Gedicht entsprungen – als ob die Zeit für einen Moment innehält, um das Lächeln der Natur zu erwidern. Haben wir nicht alle gerade Sehnsucht nach genau dieser Romantik, einem Ausgleich zu unserem geschäftigen Alltag? Braucht es im Leben nicht eine Prise Nostalgie, die an die Eleganz und Sanftheit von Jane Austens «Sense and Sensibility» erinnert?
Plum Sykes, die längst zur erfolgreichen Romanautorin wurde, wohnt seit einigen Jahren in Bisley auf ihrem Landsitz im idyllischen Teil von Gloucestershire. Ihre Heldinnen hetzen nun nicht länger durch Modemetropolen, auf der Suche nach dem perfekten «Bergdorf Blonde» durch Modemetropolen, sie haben ihre High Heels durch Gummistiefel ersetzt und gehen morgens lieber ausreiten, als durch die Grossstadt zu joggen. Ihr neues Buch «Wives Like Us» eroberte auf Anhieb die internationalen Bestsellerlisten.
Mit Fernsehserien wie «Bridgerton» träumen wir uns in das Leben der feinen englischen Gesellschaft. Der Film «Saltburn» geriet im letzten Jahr zum Überraschungserfolg, auch weil wir uns nicht sattsehen konnten, an den schönen Decors dieses Herrenhauses in Northhamptonshire.
Dazu kommt dieser besonders entspannte Lifestyle, der jeden Stadtmenschen vor Neid erblassen lässt. David Beckham zeigt auf Instagram stolz Bienenstock und Hühnerstall. Dass er dabei im klassischen Look des Landedelmanns eine feine Figur macht, konnten wir gerade in einer Netflix-Dokumentation überprüfen. Amal und George Clooney lassen in Berkshire mehr als zwei Hektare Land beackern, Kate Winslet lud vor Kurzem eine Reporterin der «New York Times» zum Eis-Schwimmen an die Küste von Sussex, wo sie ein Haus besitzt.
Der König dieser Liebe zum Land ist eindeutig King Charles III. Er kaufte 1980 Highgrove House, ein Anwesen in der Nähe von Tetbury in Gloucestershire. Damals noch Prince of Wales, investierte Charles viel Zeit und Mühe, um die Gärten und das Landgut nach seinen ökologischen Prinzipien zu gestalten. Und er lässt uns inzwischen daran teilhaben: Highgrove ist von März bis Oktober für geführte Touren geöffnet, Produkte und Events können auf der Website des modernen Monarchen gebucht werden.
Selbst in London finden sich Enklaven, um dem rasanten Alltag der Metropole zu entkommen. Schlendern Sie durch die Kensington Gardens zu den Serpentine Galleries. Gerade zeigt dort eine junge kalifornische Künstlerin ihre Definition von Landleben: Die gesamte Südgalerie wurde von Lauren Halsey zu einem «Funk Garden» umgestaltet. Eine spannende, zeitgemässe Auseinandersetzung mit unserer Beziehung zur Natur und ihren Ressourcen. Auch Londoner Hotels mixen das Flair eines Landhauses mit neuesten Komfortstandards: Tea time vor dem Kamin, pittoresk gemusterte Tapeten, Bettüberwürfe und Polster wie auf dem Haymarket oder im Covent Garden bezaubern die Romantikerin oder den Romantiker in uns auf moderne Weise.
Sie versöhnen uns ausserdem mit den kräftigen Regenschauern, die im Frühling an der Tagesordnung sind – und erinnern uns: Neben all ihren schönen Blumenkleidern wurde in England zum Glück auch der Trenchcoat erfunden!
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